X Tipps, wie Sie garantiert keine Aufträge erhalten – oder Kunden nach dem ersten Auftrag vergraulen

Viele freiberufliche Übersetzerinnen (Männer sind mitgemeint) können von ihrer Tätigkeit nicht leben. Wenn Sie auch an der Armutsgrenze rumkrebsen und nie auf einen grünen Zweig kommen wollen, hier die ultimativen Tipps:

  • Sparen Sie sich die Website. Wo kämen wir denn dahin, wenn jeder einfach nachlesen könnte, wer Sie sind, was Sie anbieten und wie Sie zu erreichen sind? Außerdem kostet eine Website ja Geld und/oder unbezahlte Arbeitsstunden. Braucht kein Mensch.
  • Seien Sie nicht erreichbar. E-Mails am Smartphone empfangen und womöglich zeitnah beantworten? Iwo! Warten Sie mindestens einen Tag, dann ist der Auftrag ganz bestimmt anderweitig vergeben.
  • Wenn Sie Ausschreibungen beantworten, wenn zum Beispiel eine Kollegin in einer Facebook-Gruppe nach jemandem sucht, antworten Sie auf gar keinen Fall per E-Mail, nur weil die suchende Kollegin darum bittet, sondern immer per Privatnachricht oder Kommentar. Immer wieder gern genommen sind auch Freundschaftsanfragen. Verfassen Sie Ihre Antwort so knapp wie möglich! „Ich hätte Zeit“ reicht völlig aus; niemand will wissen, warum Sie für gerade diesen Text geeignet sind und welche Fachkenntnisse Sie vorweisen können. Und wenn doch, soll die Kollegin gefälligst nachfragen! Die kann schließlich froh sein, dass Sie überhaupt Zeit haben!
  • Geben Sie konkrete Angebote auf Anfragen ab, ohne den Text gesehen zu haben. Oder noch besser: Fragen Sie den Kunden, was er zahlt. Da hört man doch gleich den Profi heraus! Und ein Profi kann schließlich alles, einschließlich hellsehen!
  • Nennen Sie anfragenden Direktkunden unbedingt Zeilenpreise. Kunden, die sonst nie etwas mit Übersetzungen zu tun haben, finden es total super, sich vor Auftragsvergabe lange damit zu beschäftigen, wie man die Zeilen berechnet und was die Übersetzung denn nun am Ende kosten wird. Und zählen Sie die Zeilen unbedingt im Zieltext, um die Rechnung für den Kunden noch undurchsichtiger zu machen.
  • Wenn der Kunde Ihnen wider Erwarten den Auftrag erteilt, bestätigen Sie diesen auf keinen Fall. Der kann ruhig ein bisschen zittern. Außerdem haben Sie so immer das Schlupfloch, einfach zu behaupten, Sie hätten den Auftrag gar nicht angenommen und müssten deshalb auch nicht liefern.
  • Wenn Sie den Auftrag denn doch erledigen, freuen sich gerade Direktkunden ganz besonders, wenn Sie mehrere Übersetzungsvorschläge für ein und denselben Satz liefern, damit er sich die beste Version aussuchen kann. Auch, wenn er die Zielsprache gar nicht spricht. Machen Sie das bei jedem einzelnen Satz. Schließlich ist es sein Text und er soll die Wahl haben!
  • Stellen Sie bloß keine Fragen zum Text. Übersetzen Sie einfach, was da steht, ohne nachzudenken. Wenn das Ergebnis am Ende unbrauchbar ist, ist das ja nicht ihr Problem.
  • Deadlines sind was für Anfänger. Wenn der Kunde sagt, er brauche die Übersetzung bis Donnerstag, meint er natürlich Donnerstag um 23.59 Uhr. Liefern Sie auf keinen Fall früher! Gerne sollten Sie die Deadline auch überziehen; ohne den Kunden im Vorfeld darüber zu informieren, versteht sich. Ist nicht Ihr Problem, dass er es eilig hat.
  • Lassen Sie jede Kritik an sich abprallen. Schieben Sie die Schuld immer auf den Kunden oder den Text oder die Technik oder was weiß ich. Sie können nichts dafür! Egal, worum es geht. Belehren Sie den Kunden ausführlich darüber, was er alles verkehrt gemacht hat, sodass Sie gar nicht anders handeln konnten und Ihre Fehler deshalb seine Schuld sind. Wählen Sie dafür gerne einen höhnischen Tonfall.
  • Legen Sie sich eine Attitüde zu und lassen Sie diese raushängen. Sie sind Künstlerin! Und niemand versteht Künstler! Weil alle anderen Banausen sind! Und da andere Sie als Künstlerin eh nicht verstehen, müssen Sie auch nichts erklären. Seufzen Sie bei Nachfragen einfach und reagieren Sie möglichst angepisst und überheblich.
  • Noch besser: Stellen Sie sich tot. Das ist praktisch jederzeit möglich: Bei der Anfrage, bei der Auftragserteilung, mitten in der Auftragsbearbeitung, bei Kritik … Totstellen wirkt immer.
  • Lästern Sie über Kolleginnen und Kunden. Am besten öffentlich, aber auch gern beim Kunden. Machen Sie Kolleginnen schlecht, lästern Sie über den beschissenen Text des Kunden, völlig egal. Hauptsache, Sie ziehen ordentlich über andere her. Darüber lacht man doch gerne!
  • Betonen Sie dem Kunden gegenüber bei jeder Nachfrage nach Lieferung des Textes immer wieder, dass Sie überhaupt gar keine Zeit haben, weil sich auf Ihrem Schreibtisch die Arbeit stapelt. Kunden finden es total super, wenn sie merken, dass sie nur einer von vielen sind und auf sie und ihre Wünsche nicht eingegangen wird. Lassen Sie sich nichts anderes einreden! Sie müssen immer einen total beschäftigten und gestressten Eindruck machen. Auch wenn Sie eigentlich nur Däumchen drehen und den Kunden auflaufen lassen möchten.
  • Pochen Sie auf sofortige Begleichung der Rechnung und machen Sie einen Riesenaufstand, wenn Ihnen Ihre Bank 2 Cent Gebühren berechnet. Das hätte der Kunde schließlich vorher wissen müssen, auch wenn es Ihre Bank ist, und hätte die Gebühren gleich mitüberweisen müssen! Und 2 Cent sind viel Geld! Nur weil Sie permanent wahnsinnig beschäftigt sind, heißt das ja nicht, dass Sie auf 2 Cent verzichten können!

Befolgen Sie diese Tipps und Sie werden nie wieder arbeiten müssen. Aber jammern Sie natürlich, dass Ihre Arbeitslosigkeit an der wirtschaftlichen Lage und an den bösen Kunden liegt! Denn Sie selbst haben ja nie Schuld!

Lohnt sich ein Mahnverfahren?

Diesen Monat musste ich nach langer Zeit tatsächlich mal wieder einen gerichtlichen Mahnbescheid beantragen, der glücklicherweise seine Wirkung gezeigt hat. Und da dachte ich, ziehe ich mal Bilanz: Wie groß ist die Chance, an sein Geld zu kommen, wenn der Kunde nicht innerhalb der gesetzten Frist bezahlt? Völlig unrepräsentativ kann ich dabei nur auf meine Erfahrungen zurückgreifen.

Wie viele Kunden in ich den über 20 Jahren meiner Zeit als freiberufliche Übersetzerin an die Rechnung erinnern musste, kann ich nicht mehr nachvollziehen, nur noch das, was danach geschah, wenn nichts geschah:

Versandte Mahnungen: 9   

Die Mahnpauschale setze ich erst seit ein paar Jahren an. Davor hatte ich eine Zeit, in der ich mir Kunden nicht so genau angeguckt habe und recht häufig anmahnen musste. Das war so vor 12 Jahren und betraf insgesamt 4 Kunden innerhalb von 1–2 Jahren. Danach noch einer vor 9 Jahren ohne Mahnpauschale und in den letzten 2 oder 3 Jahren kamen noch 3 Kunden hinzu, die eine Mahnung mit Mahnpauschale in Höhe von 40 Euro plus Verzugszinsen erhalten haben. Einer sogar zwei. (Zwischen den zwei Mahnungen hat er zuverlässig bezahlt!)  Erfolgsbilanz der Mahnungen: 3 der 9 angemahnte Rechnungen wurden beglichen.

Beantragte gerichtliche Mahnbescheide: 5

Die besagten 4 Kunden vor 12 Jahren haben alle einen gerichtlichen Mahnbescheid erhalten und einer diesen Monat. 3 gerichtlichen Mahnbescheiden wurde kommentarlos widersprochen, zwei wurden ignoriert. In einem ignorierten Fall wurde die Rechnung mitsamt Mahnpauschale, Kosten für den gerichtlichen Mahnbescheid und Verzugszinsen dennoch innerhalb der vom Mahngericht gesetzten Frist beglichen.

Öffentliches Petzen: 4

Vier Fälle, in denen die Kunden trotz Mahnung nicht bezahlt haben, habe ich in meinem Blog bzw. auf Facebook oder Twitter öffentlich gemacht. Mit Nennung der Namen berichtet, wie die Sache gelaufen ist. In zwei Fällen ohne gerichtlichen Mahnbescheid und in zwei Fällen, nachdem dem gerichtlichen Mahnbescheid widersprochen wurde. In 3 dieser 4 Fällen wurde die Rechnung daraufhin beglichen.

Beantragte Vollstreckungsbescheide: 1

Aufgrund des anderen ignorierten gerichtlichen Mahnbescheids konnte ich problemlos einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Der leider ins Leere lief, weil die Kundin bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte; immerhin konnte ich sie daraufhin wegen Leistungsbetrugs anzeigen. Vor Gericht hat sie dann versprochen, die Rechnung zu begleichen, um nicht verurteilt zu werden, und das hat sie auch getan.

Geführte Prozesse: 1

In einem Fall, in dem dem gerichtlichen Mahnbescheid widersprochen wurde und in dem auch öffentliches Petzen nicht geholfen hat, habe ich den Kunden verklagt und den Prozess gewonnen. Der Gerichtsvollzieher hat das Geld in Raten bei ihm abgeholt und an mich weitergeleitet. Ich war selbst nicht beim Prozess zugegen, das hat mein Anwalt erledigt (den der Kunde ebenfalls bezahlen musste), aber es war wohl eine klare Sache.

Ich habe also in 100 % der Fälle das Geld für meine geleistete Arbeit erhalten; mal früher und mal später. Nach meiner persönlichen Erfahrung lohnt es sich also immer, den regulären Weg des Mahnverfahrens zu bestreiten. Und je mehr das konsequent durchführen, desto mehr Kunden machen die Erfahrung, das es nicht folgenlos ist, eine Rechnung einfach nicht zu bezahlen! Und desto weniger versuchen es hoffentlich gar nicht erst, und desto weniger Freiberufler müssen unter solchen Nichtzahlern leiden.

Mehr zum Thema Forderungsmanagement in einem älteren Beitrag: Forderungsmanagement

Der Vollständigkeit und Fairness halber muss ich dazu sagen, dass ich in insgesamt 3 Fällen in den letzten 20 Jahren nichts unternommen habe. Der erste hat sich ganz klassisch totgestellt und ich habe es bei einer Zahlungserinnerung belassen; das ist 20 Jahre her und ich wusste es nicht besser. Ärgert mich heute immer noch. Der zweite Fall ist um die 10 Jahre her; das war eine Agentur in England. Die hatte mir drei Texte zur Übersetzung gegeben; alle wurden nacheinander abgegeben, Korrektur gelesen und abgenommen. Der Kunde der Agentur jedoch war nicht glücklich, und natürlich war ich schuld und nicht etwa der Korrekturleser oder die Agentur, die meine Übersetzung ja abgenommen hatte. Dennoch wollte ich mir den Stress mit einem Prozess in England, in dem meine Übersetzung auseinandergenommen wird, nicht antun. Und dann war da noch der Direktkunde in Deutschland, dessen Website ich direkt online übersetzt habe, und als ich fertig war, habe ich die Rechnung erstellt, die ignoriert wurde; erst Wochen später wurde behauptet, ich hätte nur die Hälfte der Websitetexte übersetzt. Leider konnte ich nicht nachweisen, dass die andere Hälfte der Texte bei Auftragserteilung noch gar nicht online und somit auch nicht Bestandteil meines Kostenvoranschlags war, und habe mich mit der Kürzung der Rechnung um 50 % zufriedenstellen lassen. Und habe daraus gelernt, niemals wieder Websitetexte direkt in der Website zu übersetzen, ohne dass die konkrete Textmenge vorher festgelegt wurde!

 

Scam erkennen

Neulich erreichte mich folgende E-Mail:

Hello,
I will like to employ your services to help translate a text from ENGLISH into GERMAN , which I need done in a month . Kindly let me know if you are available to take on the project. I await your timely response.
Regards

Als alter Hase erkennt man sofort, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Scammer handelt. Gut, wenn man noch nicht allzu viele dieser E-Mails bekommen hat, fällt es vielleicht nicht sofort auf, aber erste Indizien sind:

  • fehlende Anrede
  • die Sprachen sind GROSS geschrieben
  • keine Unterschrift/Signatur
  • fehlerhafte Rechtschreibung

Okay, das sind alles Sachen, die auch bei seriösen Anfragen durchaus vorkommen, wenn auch selten alle vier zusammen. Also habe ich geantwortet, dass ich den Text sehen muss, den ich auch prompt bekam (oft hängt er aber schon bei der Anfrage an; auch Scammer wollen Zeit sparen).

Nächste Indizien:

  • Der Text wird als Worddatei geliefert.
  • Es handelt sich um eine Abhandlung über organischen Landbau, Rassismus oder ein ähnliches Thema, das die meisten Übersetzer durchaus interessiert.
  • Googelt man einen Satz aus besagter Abhandlung, stellt man fest, dass sie frei im Internet verfügbar ist.

Mit viel Wohlwollen kann es sich immer noch um eine seriöse Anfrage handeln, und es schadet ja nicht, dennoch ein Angebot zu erstellen – lieber einen Scammer wie einen serösen Anfragenden behandeln als einen seriösen Anfragenden wie einen Scammer!

Sie antworten also mit einem Angebot. Nächstes Indiz:

  • Egal, welchen Wort- oder Zeilenpreis Sie verlangen: Er wird akzeptiert.

Kann immer noch selbst bei einem seriösen Anfragenden vorkommen, oder?

Letztes, absolut wasserdichtes Indiz:

  • Der Anfragende möchte per Scheck bezahlen.

Spätestens jetzt sollten Sie die Beine in die Hand nehmen und den Kontakt beenden, denn nach all diesen Warnsignalen handelt es sich mit 1000%-iger Sicherheit um einen Betrüger. Es stimmt zwar, dass Scheck-Zahlungen in den USA beispielsweise durchaus häufig vorkommen – aber nicht über Grenzen hinweg! Ich habe in den letzten 20 Jahren wirklich für einige Kunden in den USA gearbeitet, und nicht einer wollte jemals per Scheck bezahlen. Also, außer Scammer, versteht sich.

Was würde passieren, wenn Sie die Scheck-Zahlung akzeptieren?

Sie erhalten den Scheck – da Sie vorsichtig sind, fangen Sie erst an zu arbeiten, wenn Ihnen der Scheck vorliegt oder gar erst, wenn Sie ihn eingelöst haben und die Summe Ihrem Konto gutgeschrieben wurde. Dieser Scheck kann gut und gerne einen Monat (!) später immer noch platzen und das Geld wird wieder von Ihrem Konto verschwinden! Im besten Fall haben Sie bis dahin die Übersetzung geliefert und somit für lau gearbeitet. Bei diesem besten Fall bleibt es allerdings praktisch nie, denn die Scammer wollen ja gar keine Übersetzung; sie wollen Ihr Geld. Was also folgt, ist der klassische Overpayment Scam: Der Scheck ist versehentlich auf eine viel zu hohe Summe ausgestellt, aber der Scammer vertraut Ihnen und bittet Sie, den Scheck dennoch einzulösen und den überzähligen Betrag per Western Union weiterzutransferieren. Wenn der Scheck dann Wochen später platzt, sind Sie das über Western Union überwiesene Geld los; die Zahlung lässt sich nicht zurückholen. Mit etwas Pech war der Scheck auch noch geklaut oder gefälscht und Sie haben eine Anzeige wegen Betrugs am Hals.

Achten Sie also auch in der Flaute, wenn Sie sich über jede Anfrage eines Neukunden freuen, auf die Alarmzeichen! Spätestens beim Stichwort „Scheck“ können Sie sicher sein, dass Sie bei diesem Job kein Geld verdienen können.

Überleben als Übersetzer als PDF für lau!

Es ist mal wieder so weit: Die PDF-Version von „Überleben als Übersetzer“ gibt es für einen begrenzten Zeitraum für lau. Weil Ostern ist und wegen Corona und weil Amazon wohl ganz schön lange für die Auslieferung des Taschenbuchs braucht … Mal sehen, wann ich die Aktion beende, aber über Ostern läuft sie sicherlich!

Viel Spaß beim Lesen und bleibt gesund!

 

*** Die Aktion ist beendet!***

Interview-Reihe Teil 11: Jeannette Bauroth

Jeannette Bauroth ist staatlich geprüfte Übersetzerin und arbeitet als Übersetzerin für Unterhaltungsliteratur aus dem Englischen. Zu ihren aktuelleren Projekten zählen die Mitarbeit an der Übersetzung von EL James‘ „The Mister“ und dem Der-Teufel-trägt-Prada-Roman „Die Frauen von Greenwich“.

Neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit für deutsche Verlage koordiniert Jeannette unter der Bezeichnung „Indie Translations“ Übersetzungen für englischsprachige Selfpublisher. Außerdem gehört ihr seit einem knappen Jahr ein kleiner, aber feiner Verlag, der „Second Chances Verlag“. Entstanden ist der aus der Idee von einem „Verlag der Übersetzer“ – Wunschprojekte, die bei anderen Verlagen kein Zuhause gefunden haben oder Serienfortsetzungen, die in ihrem ursprünglichen deutschen Verlag nicht mehr erscheinen.

Ergänzend dazu arbeitet Jeannette einmal im Jahr als Übersetzerin beim Biathlon-Weltcup in Oberhof und als freiberufliche Übersetzerin für die UEFA.

Wie kamst du auf die Idee, Übersetzerin zu werden?

Dolmetscherin oder Übersetzerin wollte ich eigentlich schon immer werden. Nach dem Abitur habe ich allerdings erst eine Ausbildung als Physiotherapeutin gemacht und auch acht Jahre lang in dem Beruf gearbeitet. Berufsbegleitend habe ich ein Fernstudium zur Übersetzerin an der AKAD absolviert. Und dann war der richtige Zeitpunkt für den Berufswechsel irgendwann da: Ich stand kurz vor der Abschlussprüfung, war mit meinem zweiten Kind schwanger und wusste, mit zwei kleinen Kindern wird der Berufsalltag als Mannschaftsphysiotherapeutin in der Volleyball-Bundesliga schwierig. Also habe ich meinen Saisonvertrag nicht verlängert, den Sprung in die Freiberuflichkeit gewagt und diesen Schritt auch nie bereut.

Wie hast du deine Spezialisierung gefunden und wie hast du dich dann in diesem Fachbereich spezialisiert?

Für mich lag die Spezialisierung auf der Hand, da ich ja aus dem Bereich der Sportmedizin kam. Also habe ich anfangs überwiegend medizinische Übersetzungen übernommen. Irgendwann kamen auch sportmedizinische Sachbücher dazu, und von da habe ich dann über viele Weiterbildungen den Sprung in die Unterhaltungsliteratur geschafft.

Arbeitest du vorwiegend mit Agenturen oder mit Direktkunden und hat sich das im Lauf der Zeit geändert?

Anfangs habe ich viel mit Agenturen gearbeitet, inzwischen arbeite ich hauptsächlich mit Direktkunden. Direktkunden heißt in meinem Fall – Verlage, Autoren, Sportinstitutionen.

Was liebst du an deinem Job am meisten?

Die Flexibilität und die Abwechslung. Mein Arbeitsalltag erlaubt mir eine gewisse zeitliche Flexibilität innerhalb der Projektzeiträume. Bei Büchern beträgt die Bearbeitungszeit mehrere Wochen, da ist es nicht dramatisch, wenn ich aus privaten Gründen mal einen Tag freinehme. Natürlich muss ich das entsprechende Arbeitspensum dann anderweitig nachholen, aber hier drängen keine sehr eiligen Termine.

Darüber hinaus gefällt mir sehr, dass wir uns als Übersetzer praktisch ständig neu erfinden können, indem wir unsere Spezialisierung wechseln oder einfach andere Arbeitsmodelle ausprobieren, wie man ja auch an meinem Beispiel sieht.

Was war dein bisher schönstes Übersetzungsprojekt?

Wenn ich „Übersetzungsprojekt“ ein wenig weiter auslegen darf, dann ist das eindeutig der Aufbau meines eigenen Verlags. Die letzten Monate waren sehr, sehr anstrengend, aber es erfüllt mich mit sehr viel Stolz und Freude, jetzt die Früchte dieser Arbeit zu sehen. Mit Projektmanagement kannte ich mich ja schon gut aus, aber ich musste natürlich auch einen Crashkurs in Verlagsbetriebswirtschaft und Lizenzrecht absolvieren, und das alles neben dem normalen Tagesgeschäft. Ich freue mich sehr über das tolle Freiberuflerteam, das mich unterstützt, und weiß jeden Einzelnen davon sehr zu schätzen.

Welchen Tipp würdest du anfangenden Kolleginnen geben?

Fragt, fragt, fragt. Stellt alle Fragen, die euch auf den Nägeln brennen. Wenn mir während der vergangenen Monate nicht so viele Menschen bereitwillig Auskunft zu allen möglichen Themen gegeben hätten, wäre ich längst noch nicht so weit. Niemand muss das Rad neu erfinden, und es bringt auch eine Menge Karmapunkte, wenn ihr euer Wissen teilt.

Und hier noch ein Tipp, der nicht nur für neue Kolleginnen gilt: Seid nett zueinander. Immer mal wieder bin ich sehr verblüfft über den teilweise doch recht rauen Umgangston, der in der Branche herrscht. Das muss doch nicht sein. Ich bekomme manchmal Bewerbungen, bei denen mich schon die ersten Sätze so abstoßen, dass ich gar nicht weiterlese. Ich gestatte mir auch den Luxus, nicht mit Kollegen und Kolleginnen zusammenzuarbeiten, wenn sie sich als nicht teamfähig erweisen oder mir einfach der Umgangston sauer aufstößt. Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens bei der Arbeit, da möchte ich mich mit netten Menschen umgeben.

Wie hast du es geschafft, dir ein berufliches Netzwerk (zu Firmen, aber auch zu Kollegen) aufzubauen?

Durch Präsenz – ich bilde mich einfach wahnsinnig gern weiter und lerne dadurch ständig neue Menschen kennen. Man kann aber auch online Präsenz zeigen, wenn man nicht so der „Konferenztyp“ ist und sich mit anderen virtuell austauschen. Sucht man einmal für ein Projekt Kollegen, fallen einem natürlich immer diejenigen zuerst ein, mit denen man auch sonst einen regen Austausch pflegt.

Welchen Tipp hast du für die erfolgreiche Kundenakquise?

Da gilt für mich seit Jahren ein Satz, den ich einmal von Chris Durban gehört habe: Hang out where your clients hang out. Generell liegt mir persönlicher Kontakt einfach mehr als stundenlanges E-Mail-Schreiben. Ich besuche viele Konferenzen, bilde mich weiter, baue mein Netzwerk aus und lerne potenzielle Kunden und Kollegen kennen. Das hat sich für mich sehr bewährt.

Und ansonsten – erzählt den Leuten, was ihr beruflich tut und haltet Augen und Ohren offen. Häufig ergeben sich tolle Projekte aus ganz zufälligen Kontakten.

Wie hältst du dich auch als alter Hase auf dem Laufenden?

Wie bereits erwähnt besuche ich viele Konferenzen, auch solche, die sich gar nicht primär an Übersetzer richten, sondern an Autoren. Bisher habe ich noch überall etwas dazugelernt. Ich lese viel, sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Ich finde es wichtig zu sehen, wohin sich unsere Sprache entwickelt, wie es „die anderen machen“.

Welche Bücher und/oder Veranstaltungen kannst du empfehlen?

Für Literaturübersetzer empfehle ich die Jahrestagung in Wolfenbüttel. Neben dem Auffrischen und Knüpfen von Kontakten kann man dort auch viel Wissenswertes aus den Workshops mitnehmen. Auch die zahlreichen Weiterbildungen des BDÜ sind eine tolle Möglichkeit, das eigene Wissen aufzupolieren und gleichzeitig das eigene Netzwerk zu erweitern.