Interview-Reihe Teil 10: Iva Wolter

Iva Wolter ist Diplom-Übersetzerin und beeidigte Dolmetscherin für die tschechische und polnische Sprache. Die gebürtige Pragerin hat an den Universitäten Leipzig und Warschau Übersetzen und Deutsch als Fremdsprache studiert sowie an der Juristischen Fakultät der Karls-Universität in Prag ein Aufbaustudium für Gerichtsdolmetscher*innen und -übersetzer*innen absolviert. Anschließend machte sie sich als Übersetzerin, Dolmetscherin sowie Sprachdozentin für Tschechisch und Polnisch selbstständig und wurde für diese Sprachen beeidigt. Derzeit lebt und arbeitet sie als freiberufliche Übersetzerin und Dolmetscherin in Berlin. Unter dem Namen Dolmetschbar | Übersetzungs- und Dolmetschservice Iva Wolter (www.dolmetschbar.de) ist sie für Rechtsanwaltskanzleien, Staatsanwaltschaften, Behörden, Gerichte, Privatpersonen sowie kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland, Tschechien und Polen tätig und unterstützt diese bei ihrer Kommunikation mit internationalen Geschäftspartnern, Kunden und Mandanten. Im Jahr 2019 wurde sie vom Staatlichen Prüfungsamt für Übersetzerinnen und Übersetzer in Berlin zur Fachprüferin berufen.

Arbeitest du vorwiegend mit Agenturen oder mit Direktkunden und hat sich das im Lauf der Zeit geändert?

Angefangen habe ich – wie vermutlich viele andere Kolleginnen und Kollegen auch – mit Übersetzungsaufträgen von Agenturen. Ich habe mich bei vielen Übersetzungsbüros als externe Mitarbeiterin beworben und mich auf verschiedenen Plattformen für Übersetzer*innen angemeldet. Die ersten Aufträge von Agenturen, Privatkunden und ehemaligen Uni-Dozent*innen kamen und ich ließ mir meine erste Website damals noch unter dem Namen imSPRACHEN erstellen. Ich habe mich fortgebildet, verschiedene Marketingmaßnahmen getestet und „mein Unternehmen“ kontinuierlich aufgebaut. Mit der Zeit habe ich gelernt, die „guten“ Übersetzungsagenturen von den bloßen Umtütern zu unterscheiden. Der Kundenstamm wuchs und die ersten Stammkunden kamen mit Folgeaufträgen wieder.

Dank meiner sicherlich auch mühevollen Arbeit an meiner „Marke“ bin ich inzwischen auf die schlechter bezahlten Aufträgen von Übersetzungsbüros nicht mehr angewiesen. Mittlerweile arbeite ich seit Jahren nur noch mit einer Übersetzungsagentur aus Liechtenstein erfolgreich zusammen und schätze an dieser Kooperation die regelmäßigen Aufträge, die Wertschätzung meiner Arbeit und die praktisch sofortige Bezahlung meiner Rechnungen.

Was liebst du an deinem Job am meisten?

Die Vielfältigkeit. Die Themenbreite, die ich gerade als Übersetzerin „kleiner“ Sprachen noch mehr genießen kann, als es beispielsweise bei Englisch-Übersetzer*innen mit enger Spezialisierung auf ein konkretes Fachgebiet der Fall ist. Die Kombination des Übersetzens mit dem Dolmetschen steigert dieses Potenzial noch zusätzlich. Für mich persönlich ist es die ideale Verbindung zwischen der gründlichen Analyse des geschriebenen Wortes und dem präzisen Feilen an Texten bis zum letzten Schliff gegenüber der etwas freieren Interpretation des gesprochenen Wortes, bei der es auf die schnelle Erfassung der geäußerten Gedanken ankommt. Diese beiden teilweise sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen inspirieren mich sehr und ich profitiere von deren gegenseitiger positiver Beeinflussung.

Außerdem schätze ich den direkten Kontakt zu meinen Kunden und das unmittelbare Feedback, das ich eher bei der mündlichen Kommunikation erhalte. Am Übersetzen wiederum mag ich die Möglichkeiten der Flexibilität meiner Arbeitsweise, die mir meistens eine freie Planung meines Arbeitstages ermöglicht. So ist auch eine unkonventionelle Gestaltung des Alltags mit diesem Beruf kompatibel. Damit verbunden ist für mich der Vorteil einer selbstständigen Tätigkeit, die für mich persönlich die perfekte berufliche Lebensweise darstellt.

Diese Abwechslung der zu übersetzenden Themen und der zu dolmetschenden Inhalte macht meinen Beruf einzigartig. Mit jedem neuen Auftrag lerne ich etwas Neues dazu und erhalte die Chance, über den Tellerrand hinaus zu schauen.

Was hasst du an deinem Job am meisten?

Wirklich hassen tue ich eigentlich nichts. Ich finde es nur schade, dass unser Beruf so eine geringe Wertschätzung in der öffentlichen Wahrnehmung genießt. Dies macht sich leider auch bei den Preisen bemerkbar, wenn beispielsweise ausgerechnet Literaturübersetzer*innen, die noch am ehesten eine positive Bewertung erfahren, für ihre so wahnsinnig verantwortungsvolle Tätigkeit so niedrige Honorare erhalten. Kritisieren möchte ich an dieser Stelle auch Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen, die sich unter Wert verkaufen, sich nicht darüber informieren, welche Preise auf dem Markt üblich sind und somit die Honorare nach unten drücken. Und damit meine ich ausdrücklich nicht die Laienübersetzer*innen oder Berufsanfänger*innen, sondern erfahrene Sprachmittler*innen, die ihre gute Übersetzungsleistung zu billig anbieten.

Was war dein bisher schönstes Übersetzungsprojekt?

Ich kann jetzt eigentlich kein konkretes Übersetzungsprojekt nennen. Es gibt so viele spannende Texte, an denen ich als Übersetzerin mitgewirkt habe. Am schönsten finde ich die Aufträge, bei denen ich direkt merke, wie ich mit meiner Übersetzungsleistung dem Kunden geholfen habe, wie er dank meiner Arbeit etwas erreichen konnte. Beim Dolmetschen gibt es eher ein direktes Feedback. Ich merke sofort, ob die Kommunikation gelungen ist. Das ist auch einer der Gründe, warum ich gerne dolmetsche.

Welchen Tipp würdest du anfangenden Kolleginnen geben?

Nutze die anfangs eher ruhige Phase für den Aufbau deines Unternehmens. Ja, auch wir freiberufliche Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen sind Unternehmer*innen und müssen zunächst unsere Marke entwickeln. Diese Marke sind wir selbst. Am Anfang unserer beruflichen Karriere haben wir noch Phasen, in denen wir noch nicht voll mit Aufträgen ausgelastet sind. Statt zu verzweifeln und sich Sorgen wegen mangelnder Aufträge zu machen, kannst du dich weiter spezialisieren, dir unternehmerische Kompetenzen, die an den Universitäten eher weniger vermittelt werden, aneignen, an der Positionierung und Professionalisierung deines Unternehmens arbeiten, dich vernetzen.

Ich bin mittlerweile im 14. Jahr meiner Selbstständigkeit angekommen. Es war nicht immer leicht. Gerade Selbstständige müssen auch mit Rückschlägen rechnen und lernen, damit umzugehen. Es ist gut und wichtig, Existenzgründerseminare zu besuchen, verschiedene Ratgeber zu lesen und sich Ratschläge von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu holen, doch am Ende muss man für sich selbst den eigenen Weg finden. Das Leistungsportfolio bei Freiberufler*innen muss zur eigenen Persönlichkeit passen. Nur so ist man glaubwürdig, hat Freude bei der Arbeit und wird langfristig Erfolge erzielen. Die sehr harte Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Positionierung auf dem Markt wird häufig unterschätzt. Heutzutage reicht es jedoch nicht mehr, nur „gut“ zu übersetzen. Selbst wenn ich die besten Übersetzungen liefere, doch keiner weiß, dass es mich gibt, werde ich auch keine erfolgreiche Übersetzerin. Ich bin ein zielstrebiger Mensch und habe mich diesen Herausforderungen gerne gestellt.

Doch selbst wenn man es geschafft hat, bedeutet das nicht, stehen zu bleiben. Die Branche ist im stetigen Wandel, der Markt entwickelt sich weiter. Somit kann nur jemand, der seine berufliche Situation immer wieder hinterfragt und bereit ist, seine Pläne der aktuellen Marktsituation anzupassen, langfristig Erfolge erzielen. Für mich stellt dieser stetige Wandel genau den richtigen Antrieb dar, denn mit Veränderungen öffnen sich auch neue und zuvor vielleicht ungeahnte Möglichkeiten.

Welchen Tipp hast du für die erfolgreiche Kundenakquise?

Ich bin ein großer Verfechter der sog. Pull-Methode. Im Unterschied zur Push-Methode, dem aktiven Ansprechen von möglichen Interessenten zum Beispiel durch den Versand von Werbeschreiben, die Kaltakquise per Telefon oder die direkte Ansprache von Messebesuchern lässt man sich bei der Pull-Methode von potenziellen Kunden „finden“. Derartige Kundenansprache ist für freiberufliche Sprachmittler*innen im Rahmen eines langfristigen Konzepts zum Beispiel durch eine gut auffindbare Website, die aktive Nutzung von Social Media, das Verfassen von Blogartikeln etc. möglich. Ich persönlich halte gerade für Übersetzer*innen und Dolmetscher*innen kleiner Sprachen die Kombination verschiedener Arten des Pull-Marketings mit aktivem Networking und einer auf die eigene Person maßgeschneiderte Positionierung auf dem Markt für das erfolgversprechendste Akquisemodell. Mehr dazu gibt es in dem von mir verfassten Gastbeitrag „Erfolgreich mit kleinen Sprachen“ in Miriams Ratgeber „Überleben als Übersetzer“.

Wie hast du es geschafft, dich auf dem Markt zu behaupten, wenn du nur „kleine“ Sprachen übersetzt und zum Beispiel Englisch nicht zu deinen Arbeitssprachen gehört?

Ich habe es vor allem durch die zielstrebige Verfolgung der oben beschriebenen Akquisemaßnahmen und harter Arbeit an meiner Marke erreicht. Ein Markenzeichen ist auch meine Spezialisierung vor allem auf das Kernfachgebiet Recht.

Das Übersetzen von „kleinen“ Sprachen hat zudem auch riesige Vorteile: Die Konkurrenz ist nicht so groß, es ist einfacher, sich auf dem Markt als Profi zu etablieren, man wird leichter von potenziellen Kunden gefunden (siehe meine beliebte Pull-Methode als Marketingstrategie). Wenn man zusätzlich noch durch Spitzenqualität punktet, kunden- und serviceorientiert handelt sowie unternehmerisch denkt, ist der Erfolg auch bei „kleinen“ Sprachen garantiert.

Was war deine bisher beste Anschaffung?

 Das Tolle an unserem Beruf ist, dass wir gar nicht so viel investieren müssen, um als Übersetzer*innen zu starten. Im Prinzip geht es ganz minimalistisch: ein leistungsfähiger Computer und schnelles Internet. In meinen Augen gibt es vier Bereiche, wo eine Investition lohnenswert ist: 1. in Tools, die unsere Arbeit erleichtern wie CAT-Tools, elektronische Wörterbücher, OCR-Software, Spracherkennungssysteme u. a.; 2. in Fortbildungen (Weiterbildungsveranstaltungen, Fachkonferenzen, Webinare, Fachliteratur etc.); 3. in Marketing (eigene Website, professionell gestaltete Visitenkarten u .v. m.) und schließlich 4. in unsere Gesundheit in Form eines ergonomischen Arbeitsplatzes (Bürostuhl, mehrere Bildschirme, Maus, Tastatur usw.). Was den letzten Punkt betrifft, ist meine beste Anschaffung mein Hund Neo :-), ein Flat Coated Retriever, der mich tagtäglich zur Bewegung an der frischen Luft „zwingt“.

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