Kerstin Fricke übersetzt Romane, Sachbücher und Graphic Novels sowie Games aus dem Englischen ins Deutsche und lektoriert neben deutschsprachigen Büchern auch Übersetzungen englisch- und französischsprachiger Autor*innen. Ihre berufliche Website ist unter www.kf-uebersetzungen.de zu finden, während sie auf ihrem Blog »Die Wortspielerin« rezensiert, aus dem Arbeitsalltag plaudert und allerlei Nerdiges vorstellt.
Wie kamst du auf die Idee, Übersetzerin zu werden?
Zum Übersetzen von Computerspielen kam ich während meines Informatikstudiums als Nebenjob, und mir wurde schnell klar, dass mir das viel mehr Spaß macht als alles, was mich nach meinem Abschluss erwartet hätte – und so habe ich mich schließlich selbstständig gemacht.
Wie hast du deine Spezialisierung gefunden und wie hast du dich dann in diesem Fachbereich spezialisiert?
Die Spezialisierung Computerspiele war naheliegend, schließlich habe ich schon immer gern gespielt und hatte dank des Nebenjobs nicht nur Erfahrung vorzuweisen, sondern auch erste Kontakte innerhalb der Spielebranche.
Mein zweites Standbein Literatur musste ich mir hingegen über einen längeren Zeitraum aufbauen. Romane zu übersetzen stellte ich mir als Leseratte schon immer traumhaft vor (da stimmen Wunsch und Wirklichkeit aber zugegebenermaßen nicht immer überein 😉), und im Laufe der Zeit kristallisierten sich durch diverse Aufträge die Genres heraus, die mir am meisten liegen.
Arbeitest du vorwiegend mit Agenturen oder mit Direktkunden und hat sich das im Lauf der Zeit geändert?
Im Spielebereich hat sich das lange Zeit die Waage gehalten, aber da viele Agenturen immer weiter mit den Preisen runtergegangen sind und ich irgendwann feststellen musste, dass mir vieles in dieser Branche zu stressig wird, übernehme ich jetzt nur noch sehr wenige, ausgesuchte Spiele hauptsächlich für Direktkunden.
Bücher übersetze und lektoriere ich fast ausschließlich für Verlage und Selfpublisher; da kommt mir nur ganz selten im Sachbuchbereich mal eine Agentur unter.
Was liebst du an deinem Job am meisten?
Dass er so unglaublich abwechslungsreich ist und dass ich mir die Zeit frei einteilen kann.
Zwar stimmt der Spruch »Kein Projekt ist wie das andere« nur bedingt, da sich innerhalb der Romangenres schon vieles wiederholt oder in ähnlicher Form vorkommt, aber man hat es doch immer wieder mit neuen Themen, einem anderen Stil und spannenden Rechercheaufgaben zu tun, und wenn ich beispielsweise einen richtig gut geschriebenen und spannenden Krimi übersetze, den ich auch privat gern lesen würde, fliegen die Seiten oftmals nur so dahin.
Außerdem bin ich als notorische Nachteule froh, nicht morgens um acht am Schreibtisch sitzen zu müssen. Ich genieße die Freiheit sehr, mich auch tagsüber mit Kolleg*innen zu treffen oder an schönen Tagen einfach mal vor die Tür gehen zu können, gerade wenn ich mal wieder an einer Stelle nicht vorankomme, weil mir z. B. keine passende deutsche Redewendung einfällt, und hänge dafür gern abends ein paar Stunden am Schreibtisch dran.
Was hasst du an deinem Job am meisten?
In der Spielebranche war das eindeutig der Stress – manche Auftraggeber schienen zu glauben, ich würde nur für sie arbeiten und hätte kein Problem damit, mir für wenig Geld bzw. keine Zuschläge die Nächte und Wochenenden um die Ohren zu schlagen.
Bei Büchern ärgere ich mich am meisten über zu übersetzende Originale, die nicht lektoriert wurden, sodass ich für die deutsche Fassung massenhaft Fehler, falsche Bezüge und diversen anderen Blödsinn herausfiltern muss – und ich frage mich jedes Mal, ob die Bücher tatsächlich so erschienen sind (was ich befürchte).
Was war dein bisher schönstes Übersetzungsprojekt?
Eigentlich immer das, das ich gerade abgegeben habe. :D
Gut, es gab schon einige, die aus der Masse herausragen. Mir haben Spiele immer großen Spaß gemacht, die ich ohnehin selbst spielen wollte (beispielsweise World of Warcraft, Mass Effect oder Star Wars: Knights of the old Republic), während es im literarischen Bereich vor allem Romane wie Blake Crouchs Psychose, Beth Lewis‘ Wolf Road oder The Shape of Water von Guillermo del Toro und Daniel Kraus waren, also Bücher, die sich durch besondere, nicht alltägliche Geschichten auszeichnen oder die einfach gut geschrieben sind.
Welchen Tipp würdest du anfangenden Kolleginnen geben?
Traut euch! Nehmt Projekte an, die euch interessieren, und fragt um Rat, wenn ihr nicht weiterwisst. Jeder hat mal angefangen, und es ist keine Schande, etwas nicht zu wissen. Wagt es aber ebenso, Nein zu sagen, wenn euch Aufträge angeboten werden, die euch in irgendeiner Hinsicht überfordern, oder wenn der Preis nicht stimmt. Denn auch als Anfänger muss man sich nicht unter Wert verkaufen!
Ganz wichtig ist außerdem: Lernt aus euren Fehlern! Dass welche passieren, lässt sich nicht vermeiden, aber nutzt sie als Chance, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Daher solltet ihr auch kritikfähig sein: Ich erlebe es beispielsweise beim Lektorieren häufig, dass Übersetzer*innen sich persönlich angegriffen fühlen, wenn ich etwas ändere oder Verbesserungsvorschläge anbringe, dabei stehen doch alle auf derselben Seite und wollen letzten Endes nur das bestmögliche Buch oder Spiel auf den Markt bringen und sich nicht gegenseitig an den Karren fahren.
Wie hast du es geschafft, dir ein berufliches Netzwerk (zu Firmen, aber auch zu Kollegen) aufzubauen?
Netzwerke unter Kollegen sind unglaublich wichtig, nicht nur zum Erfahrungsaustausch, sondern auch, um bei Bedarf Unterstützung zu erhalten. Auch die sozialen Netze wie Facebook und Twitter darf man in dieser Hinsicht nicht unterschätzen, und natürlich ist das Allerwichtigste, sich auch mal persönlich zu treffen – da haben sich Regionaltreffen von Berufsverbänden, Stammtische und Messen für mich als unschätzbar erwiesen. Im persönlichen Gespräch bekommt man oftmals Dinge mit, die man nicht unbedingt auf die Website schreibt, und meiner Ansicht nach arbeitet man auch besser zusammen, wenn man das Gegenüber wenigstens mal gesehen hat und ansatzweise weiß, wie der Mensch tickt.
Als ich die Anfrage bekam, ein komplettes Buchprojekt zu betreuen (also eine druckfertige Fassung zu liefern, die übersetzt, lektoriert, korrigiert und gesetzt ist), musste ich nicht lange überlegen, sondern hatte schnell ein kompetentes Team an der Hand, mit dem ich inzwischen schon über zehn solcher Projekte gestemmt habe – einfach, weil ich genau wusste, dass diese Menschen der Aufgabe gewachsen waren und absolut zuverlässig sind.
Welchen Tipp hast du für die erfolgreiche Kundenakquise?
Die Kundenakquise ist etwas sehr Individuelles, habe ich festgestellt, und zudem auch äußerst branchenabhängig. Insofern gibt es da keinen Kardinalweg, schlichtweg, weil bei jedem etwas anderes funktioniert. Oftmals ist ein Quäntchen Glück dabei (beispielsweise wenn man einem Verlag eine Blindbewerbung schickt, obwohl einem jeder sagt, dass das vollkommen sinnlos wäre, dort aber gerade für ein ganz bestimmtes Projekt jemand gesucht wird, der eine besondere Nischenerfahrung aufweist, mit der man zufälligerweise punkten kann), aber im Großen und Ganzen muss da jeder seinen eigenen Weg finden. Was sich für mich eindeutig bewährt hat, ist das Netzwerken. Rede über deine Spezialisierungen, deine Interessen oder deine ungewöhnlichen Hobbys, stehe zu deinem Nerdtum oder was auch immer dich ausmacht, denn mit etwas Glück prägt sich das ein und der andere erinnert sich an dich, wenn ein entsprechendes Projekt ansteht.
Was war deine bisher beste Anschaffung?
Es gibt einige Dinge, ohne die ich nicht mehr arbeiten möchte, wie meine mechanische Gamingtastatur mit programmierbaren Tasten oder meine beiden 27-Zoll-Monitore. Ohnehin halte ich es für überaus vernünftig, beim »Arbeitsmaterial« auf Qualität zu achten. Ich habe mich z. B. lange mit diversen Headsets rumgeärgert und mir nun endlich ein anständiges Tischmikrofon zum Diktieren gekauft – und jetzt frage ich mich, wieso ich das nicht viel früher getan habe.
Bei der Software ist das abermals eine individuelle Frage, ich brauche das Adobe-Paket (vor allem Acrobat für effektives Korrigieren in PDFs und InDesign für Arbeiten direkt im Layout), aber für Romanübersetzungen kein CAT-Tool, dabei habe ich im Laufe der Jahre diverse gekauft; abgesehen davon besteht meine jüngste gute Anschaffung in einem erweiterten Webspace mit Cloud-Lösung, sodass ich nicht nur auf externen Festplatten, sondern einem eigenen, in Deutschland gehosteten Server Back-ups machen kann und mich nicht mit Drittanbietern rumschlagen muss.
Wie hältst du dich auch als alter Hase auf dem Laufenden?
Ich habe mich ja praktischerweise in Bereichen spezialisiert, die ohnehin zu meinen Hobbys gehören, insofern bilde ich mich bereits weiter, indem ich on- und offline zocke, um mich in Bezug auf die Gamersprache und aktuellen Begrifflichkeiten auf dem Laufenden zu halten, oder englische und deutsche Bücher lese, damit auch mein Sprachgefühl auf dem neuesten Stand bleibt. Darüber hinaus besuche ich inzwischen verstärkt Seminare und nutze Webinare oder Online-Tutorials zur Weiterbildung.