erfolgreich freiberuflich übersetzen – ein umfassender Ratgeber

Tada! Da ist es, das neue Buch. „erfolgreich freiberuflich übersetzen – Ein umfassender Ratgeber“* heißt es, mit Dank an Nina Sattler-Hovdar für die Titelidee.

384 Seiten sind’s geworden, wobei wir im Vergleich zum letzten Buch die Schrift und den Zeilenabstand etwas verkleinert haben, um Papier zu sparen – es ist halt alles teurer geworden. 14 Autorinnen und ein Autor haben diesmal mitgewirkt, deren Namen alle auf dem Titel Platz gefunden haben, wo sie hingehören!

Ilona Riesen ist wieder dabei, die inzwischen als Projektleitung E-Learning bei einem Sprachdienstleister Onlinelehrgänge für Übersetzer:innen aufbaut und uns erzählt, was das Projektmanagement als Dienstleistung und Job ausmacht und was von uns Übersetzenden erwartet wird.

Katrin Braams‘ Beitrag beleuchtet die andere Seite: wie die Arbeit für Agenturen aussieht, wie man gute Agenturen findet und vor allem, wie man sich für diese guten Agenturen unverzichtbar macht.

Anett Enzmann übersetzt Texte, die sicherlich viele von uns gern übersetzen würden, nämlich Computerspiele. Sie berichtet, wie diese Tätigkeit aussieht und wie man an Kunden kommt.

Kerstin Fricke kennt ihr schon vom letzten Buch; sie übersetzt Romane für Verlage, was ebenfalls ein Traumjob für viele von uns darstellen dürfte.

Susanne Schmidt-Wussow übersetzt auch für Verlage, aber Sachbücher, was nicht minder kreativ ist.

Ellen Fernandez bearbeitet Computerübersetzungen – MTPE, Machine Translation Post Editing nennt sich das. Sicherlich nicht jedermanns Traum, wenn man ins Übersetzen einsteigt, aber Computerübersetzungen haben durchaus ihre Existenzberechtigung. Warum auch sollte man Sätze, die sich innerhalb bestimmter Textsorten ständig wiederholen, immer wieder selbst neu übersetzen?

Marta Pagans ist der Profi fürs Netzwerken, eine wunderbare Möglichkeit zur Kundenakquise, die viel zu oft vernachlässigt wird.

Miriam Neidhardt (huch, das bin ja ich!) schreibt (mal wieder) von der Wichtigkeit einer suchmaschinenoptimierten (!) Website und eines freundlichen Auftritts beim Kundenkontakt. Gerade diese Woche habe ich zwei Dienstleister angefragt, ob sie mir dieses Buch in ein E-Book verwandeln könnten, und beide Male waren die Antworten so unprofessionell, unfreundlich und am Thema vorbei, dass ich mich dann doch selbst an die Arbeit machen musste. Außerdem wird erklärt, wie man den Preis für eine Übersetzung berechnet, damit nicht ständig gefragt werden muss, wie viele Wörter ein Text mit x Zeilen eigentlich hat.

Sarah Schneider hat sich auf beglaubigte Übersetzungen spezialisiert, was zwar meist kleinere Aufträge sind, womit sich mit der richtigen Organisation jedoch gut Geld verdienen lässt.

Anne Masur (und meine Wenigkeit) schreiben über Buchübersetzungen für Selfpublisher, die mitnichten alle so arm, naiv und geizig sind, wie allgemein geglaubt wird.

Nina Sattler-Hovdar übersetzt Marketingtexte! Werbeslogans und so. Die natürlich nicht mit einem üblichen Wortpreis berechnet werden.

Thomas Baumgart ist das, was ich bei Beginn meines Übersetzerstudiums auch gern geworden wäre, nämlich Simultandolmetscher. Er hat es durchgezogen, ich habe noch im Grundstudium dann doch lieber zum Übersetzen gewechselt. Dennoch schwingt bei mir beim Lesen seines Kapitels noch viel Sehnsucht mit, wie meine Tätigkeit hätte aussehen können.

Iva Wolter dolmetscht auch, aber für Gerichte, Polizei und Privatkunden, die zum Beispiel bei ihrer Eheschließung eine vereidigte Dolmetscherin brauchen.

Ricarda Essrich schreibt über die Wichtigkeit der Spezialisierung. Als Bauchladen-Übersetzer ist in der Tat kaum gutes Geld zu verdienen.

Schon wieder Ilona Riesen erzählt anschließend thematisch passend, wie sie zu ihrer etwas ungewöhnlichen Spezialisierung kam: Strickanleitungen.

Louise Schou widmet sich im letzten Kapitel einem etwas trockenen, aber leider wichtigen Thema: dem Datenschutz. Und bringt hoffentlich Klarheit in die Frage, was das ist, wozu er gut ist und was wir umsetzen müssen.

Zum Abschluss des Buchs haben wir noch zwei Listen erstellt, eine mit Sachen, die man von der Steuer absetzen kann, und eine mit nützlichen Apps, Software und Gadgets.

 

Ein paar Worte von mir zu Bestellbarkeit und Preisgestaltung:

Warum ist „erfolgreich freiberuflich übersetzen“ teurer als „Überleben als Übersetzer?

Inflation! Auch. Vor allem sind es mehr Seiten, und mehr Seiten drucken zu lassen, kostet mehr Geld.

Ich bin bei der Erstellung des Buchs mit rund 10.000 Euro in Vorkasse gegangen. Autor*innen, Korrekturleserin, Buchsetzer, Covergestalter, alle haben Geld bekommen. Das ist für mich in Ordnung, aber natürlich würde ich es gern sehen, wenn das Geld durch die Buchverkäufe wieder reinkäme. Bei einem Verkaufspreis von 22,90 Euro für das Taschenbuch über Amazon bleiben mir 7,36 Euro pro Buch und bei Verkauf über diese Website 12 bis 13 Euro (je nach Zahlungsmethode). Beim E-Book sind es 6,48 über Amazon und um die 9 Euro über die Website. Ich muss also über 1.000 Exemplare verkaufen, um überhaupt nur ins Plus zu kommen. Insofern war ein niedrigerer Verkaufspreis schlicht nicht umsetzbar.

Warum ist „erfolgreich freiberuflich übersetzen“ nicht über den Buchhandel bestellbar?

„erfolgreich freiberuflich übersetzen“ ist nur hier über die Website oder bei Amazon* bestellbar – nicht im Buchhandel. Das hat zwei Gründe: Geld und Bequemlichkeit.

Geld: Wenn der Buchhandel bei mir bestellt, wird ein Rabatt erwartet, der in der Regel bei 30 % liegt. Was ich völlig einsehe! Bei mir blieben somit allerdings nur rund 6 Euro pro Buch hängen und damit (weit) weniger als oben aufgeführt über Amazon und über diese Website. Darüber hinaus muss das Buch, damit der Handel es findet, in das Verzeichnis lieferbarer Bücher eingetragen werden, was, wenn ich mich recht erinnere, 99 Euro netto pro Jahr kostet. Da so viele Bücher nun auch wieder nicht über den Buchhandel bestellt werden, läge mein Gewinn bestenfalls bei Null – und das bei mehr Arbeit.

Bequemlichkeit: Wenn der Buchhandel bei mir bestellt, muss ich die Rechnung schreiben, das Buch eintüten, zum Briefkasten bringen und oftmals wochenlang auf die Bezahlung warten.

Gut, werdet ihr jetzt sagen, eintüten und zum Briefkasten gehen musst du auch, wenn ich über den Shop bestelle. Das stimmt natürlich, aber bei Bestellung über das Shopsystem ist wenigstens die Rechnungstellung und auch die Bereitstellung der Versandmarke zum Ausdrucken automatisiert, und das spart schon Zeit!

Vorerst ist das Taschenbuch nur über Amazon* bestellbar! E-Book als Epub und PDF gibt es ab sofort hier auf dieser Website, aber das Printbuch muss erst noch bestellt und gedruckt werden und dann bei mir landen, bis ich die Exemplare verteilen kann. Das dauert ein paar Tage. Und da ich zur Beachtung der unsäglichen Verpackungsrichtlinie meine Verpackungen erst fürs nächste Jahr lizensiert habe – dieses hätte sich schlicht nicht mehr gelohnt –, starte ich mit dem Versand erst im Januar.

Aber nun kauft, bestellt, lest und teilt! Bitte, bitte.

Überleben als Übersetzer – die Fortsetzung

Ja, ich weiß, ich habe sehr oft getönt, dass ich mich lieber standrechtlich erschießen lassen, als eine Neuauflage von Überleben als Übersetzern schreiben würde. Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

Mehr Infos dazu folgen später, wenn das Projekt spruchreif ist. Um die Zielgruppe besser einschätzen zu können, brauche ich eure Hilfe. Vor allem müsste ich wissen, wo wir Übersetzenden so umsatzmäßig stehen – die letzten Umfragen des BDÜ sind ja schon eine Weile her.

Deshalb würde ich mich freuen, wenn ihr mir ganz anonym verraten würdet, wie euer Jahresumsatz so aussieht. Wenn ihr nur die Zahl vom letzten Jahr habt, nehmt die, wenn ihr den Umsatz für dieses Jahr schon gut abschätzen könnt, nehmt den, und wenn ihr sogar beide Zahlen habt, nehmt einen Durchschnitt.

Umsatz ist die Summe aller Rechnungen, die ihr in einem Jahr ausgestellt habt, ohne die Umsatzsteuer. Also NICHT der Gewinn, bei dem ihr schon die Kosten vom Umsatz abgezogen habt!

Hier ist die Umfrage, die bis zum 30. November 2022 läuft:

This poll is no longer accepting votes

Wie hoch ist dein Umsatz im Jahr?

Schreckgespenst Gewerbe

Disclaimer: Ich bin Übersetzerin, keine Steuerberaterin oder Ähnliches. Was ich hier schreibe, beruht einzig und allein auf meiner persönlichen Erfahrung oder dem, was ich mir zusammengefragt oder ergoogelt habe. Bitte nageln Sie mich also auf nichts fest. Der Beitrag soll Ihnen lediglich die pauschale Angst vor einer gewerblichen Tätigkeit nehmen. Und wenn das gelungen ist, sollten Sie jemanden fragen, der sich wirklich mit so was auskennt.

Übersetzer*innen sind Freiberufler*innen

Übersetzen und Dolmetschen gehört zu den sogenannten Katalogberufen; deshalb benötigen wir kein Gewerbe. Im Rahmen dieser Freiberuflichkeit dürfen Sie natürlich auch andere Dienstleister*innen beauftragen, zum Beispiel Kolleg*innen, Korrekturleser*innen, Lektor*innen usw. Sie dürfen auch Aufträge von Direktkund*innen annehmen und weitergeben. Dabei wird davon ausgegangen, dass Sie den Text anschließend lektorieren oder zumindest prüfen, also Ihren Teil zum fertigen Produkt beitragen. Das fällt alles immer noch unter freiberufliche Tätigkeit.

Anders sieht das aus, wenn Übersetzer*innen Aufträge für Sprachen annehmen und weiterreichen, die sie selbst nicht anbieten/sprechen/verstehen. In diesem Fall können wir nichts zum fertigen Produkt beitragen, sondern den Text nur weiterreichen. Und diese Tätigkeit fällt unter Gewerbe.

Das Gewerbe

Eine gewerbliche Tätigkeit ist kein Grund zur Panik, denn da gibt es eine „Bagatellgrenze“, die bei 3 % der Nettoumsatzerlöse liegt. Nettoumsatz ist die Summe aller Rechnungen, die Sie im betreffenden Jahr ausstellen – ohne Umsatzsteuer. Sind das beispielsweise 50.000 Euro im Jahr, können Sie Aufträge in Höhe von 1.500 Euro im Jahr weitereichen, ohne ein Gewerbe anmelden zu müssen.

Drohen Sie über diese Summe zu kommen, haben Sie drei Möglichkeiten:

  • Sie vermitteln in dem Jahr keine Aufträge in Sprachen mehr, die Sie nicht beherrschen,
  • Sie nehmen sich eine*n Steuerberater*in,
  • Sie melden einfach ein Gewerbe an.

Disclaimer: Ich mache meine Steuer selbst. Hab ich schon immer so gemacht. Ich hatte aber auch immerhin im Studium als Ergänzungsfach Wirtschaft, habe mal ein Jahr lang im Finanzamt gearbeitet (und die Ablage gemacht) und hatte über 20 Jahre Zeit, mich in die immer komplizierter werdende Steuererklärung einzuarbeiten. Ohne ein gewisses steuerliches Grundwissen und ein mathematisches Talent und Interesse würde ich eher abraten, die Steuererklärung selbst zu machen. Aber das nur nebenbei. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass Sie über dieses Grundwissen verfügen.

Die Gewerbeanmeldung

Liegen Sie mit Ihren gewerblichen Einnahmen über dem Bagatellbetrag und möchten Sie ein Gewerbe anmelden, geht das einfach online über ihr zuständiges Gewerbeamt. Formular ausfüllen, absenden, fertig. Sie erhalten dann irgendwann einen Brief mit der Bestätigung der Gewerbeanmeldung, eine Rechnung (bei mir waren es 30 Euro; der Betrag mag variieren) sowie Post von der IHK. Außerdem schickt Ihnen das Finanzamt eine Steuernummer für Ihr Gewerbe. Alles nicht schlimm.

Die IHK-Zwangsmitgliedschaft

Die sog. Zwangsmitgliedschaft in der IHK wird immer wieder als ganz furchtbar schlimm und teuer hingestellt. Mich kostet sie nichts, weil mein Ertrag (nur aus dem Gewerbe!) unter 5.200 Euro im Jahr liegt. Ertrag ist der Gewinn, also alle Einnahmen minus alle Ausgaben (jeweils ohne Umsatzsteuer, sofern Sie umsatzsteuerpflichtig sind). Bei Gefahr, knapp über die Grenze zu kommen, lassen sich womöglich Ausgaben von der freiberuflichen Tätigkeit zum Gewerbe schieben. Und auch über der Grenze sind die Beträge in Höhe ab 40 Euro im Jahr (je nach Höhe des Ertrags) recht überschaubar. (Ich beziehe mich auf die Sätze der für mich zuständigen IHK Oldenburg. Die Zahlen mögen variieren.) Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde das gar nicht so furchtbar.

Die Gewerbesteuer

Noch so ein Schreckgespenst, das gar keines ist. Gewerbesteuer ist erst ab einem Jahresertrag (nur aus dem Gewerbe!) in Höhe von 24.500 Euro fällig. Vorher muss auch keine Gewerbesteuererklärung abgegeben werden. Soll heißen: Da passiert nichts und das kostet nichts. Ein ziemlich harmloses Schreckgespenst! Bei über 24.500 Euro Jahresertrag würd ich mir wirklich einen Steuerberater suchen. Das wäre dann sogar mir zu kompliziert.

Wichtig: Infektionstheorie/Abfärberegelung

Wenn Sie sowohl freiberuflich als auch gewerblich tätig sind, ist es absolut unbedingt und ganz furchtbar wichtig, dass Sie beide Tätigkeiten steuerlich strikt voneinander trennen. Tun Sie das nicht, werden ALLE Einnahmen dem Gewerbe zugeordnet, was logischerweise bedeutet, dass Sie deutlich schneller die Einkommensgrenze für IHK und Gewerbesteuer überschreiten als mit dem Gewerbe allein.

Strikt trennen bedeutet: Unterschiedliche Steuernummern, separate Einnahmen-Überschuss-Rechnungen (EÜR) und am besten auch unterschiedliche Bankkonten und unterschiedliche Rechnungsbögen. Und das ist auch das Einzige, was durch die Gewerbeanmeldung tatsächlich ein wenig komplizierter wird:

Die Steuererklärung

Die Steuererklärung wird durch das Gewerbe ein klein wenig umfangreicher. Sie müssen nun zwei EÜRs abgeben: eine für Ihre freiberufliche Tätigkeit und eine für Ihr Gewerbe. Die Ergebnisse der beiden EÜRs kommen in Anlage S. Das war’s dann auch schon! Das ist zwar ein Mehraufwand, der sich jedoch in Grenzen hält.

Bei der Umsatzsteuer ändert sich nichts. Sie geben nur eine einzige Umsatzsteuer für alle Einnahmen aus allen Quellen ab.

 

Und, klingt das jetzt irgendwie furchtbar? Ich habe zurzeit drei Gewerbe neben meiner freiberuflichen Tätigkeit, das bedeutet vier Steuernummern und vier EÜRs, und ich hab’s bisher überlebt. In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung: Reines Korrektorat ist eine gewerbliche Tätigkeit. Ich rede nicht vom Übersetzungslektorat, sondern vom reinen Korrektorat, also wenn Sie einen auf Deutsch geschriebenen Text von Rechtschreib- und Grammatikfehlern befreien. Für dieses Korrektorat benötigen Sie (oberhalb der Bagatellgrenze) ein Gewerbe. Lektorate hingegen fallen wieder unter freiberufliche Tätigkeit.

Mit Freundlichkeit kommt man immer weiter!

Vor über 20 Jahren, als ich anfing, freiberuflich als Übersetzerin zu arbeiten, bekam ich ein paar Aufträge von der damaligen Firma meines Vaters. Und eines Tages erzählte er mir, er habe von der zuständigen Person gesteckt bekommen, dass ich so unhöflich sei in meinen E-Mails, woran das denn liegen würde. Ich bin damals aus allen Wolken gefallen, hielt ich meine E-Mails doch für sachlich-professionell. Aber eben dieser rein sachlich-professionelle Stil kommt beim Empfänger gern unfreundlich an.

Beispiel gefällig? Stellen Sie sich vor, Sie schreiben einen Webdesigner an, erzählen, dass Sie Übersetzerin sind, eine Website brauchen, umreißen, was die Seite können muss, und bitten um ein Angebot.

Mögliche Antwort Nr. 1:

Sehr geehrte Frau Lalalu,

anbei finden Sie mein Angebot im PDF-Format.

MfG

Webdesigner

 

Mögliche Antwort Nr. 2:

Moin, Frau Lalalu,

vielen Dank für Ihre Anfrage! Das ist ja ein interessanter Job, den Sie da haben. Faszinierend, wenn jemand eine Fremdsprache so gut beherrscht!

Gerne würde ich mit Ihnen gemeinsam an Ihrer Website arbeiten. Anbei finden Sie mein Angebot im PDF-Format.

Würde mich freuen!

Gruß und ein erholsames Wochenende

Webdesigner

Na, wen von beiden würden Sie lieber beauftragen? Ich persönlich bekomme bei Nr. 1 schlechte Laune, während mir Nr. 2 ein Lächeln auf das Gesicht zaubert.

Anderes Beispiel. Sie arbeiten an einem Text und Ihnen fällt ein Fehler auf, den Sie dem Kunden mitteilen möchten.

Mögliche E-Mail Ihrerseits Nr. 1:

Sehr geehrte Frau Pipapo,

auf Seite 23 des Textes befindet sich ein Fehler. Es muss xy heißen, nicht yz.

MfG

 

Mögliche E-Mail Ihrerseits Nr. 2:

Moin, Frau Pipapo,

kann es sein, dass sich auf Seite 23 ein Fehlerchen eingeschlichen hat? Sollte es vielleicht xy heißen und nicht yz? Oder verstehe ich etwas falsch?

MfG

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei Nr. 1 würde ich mich persönlich angegriffen fühlen und bei Nr. 2 wäre mir der Fehler nur peinlich und ich wäre dankbar für den Hinweis.

Und so macht der Ton die Musik. Ich hatte für meinen Buchübersetzungsservice ins Englische anfangs drei Lektorinnen. Alle haben immer gute Arbeit pünktlich geliefert, doch nur eine war freundlich. Hörte in den Nachrichten von den Überflutungen und fragte mich, ob ich womöglich betroffen sei. Erzählte von den Unruhen in ihrer Heimatstadt. Erzählte im Laufe der Zeit von ihren Kinder und äußerte Freude darüber, wie gut sich unsere Zusammenarbeit entwickelt habe und wie glücklich sie darüber sei. Im Gegenzug erzähle ich natürlich auch so dies und das, und so kam es, dass ich irgendwann nur noch sie beauftragte und die anderen beiden Lektorinnen gar nicht mehr. Einfach, weil ich mich immer über die netten E-Mails von ihr freue und sie mir das gute Gefühl vermittelt, dass sie sich über meine E-Mails freut.

Damals, vor über 20 Jahren, hielt ich meine Sachlichkeit für Professionalität. Man kann aber durchaus freundlich sein und dennoch professionell. Und gerade bei E-Mails muss man eine große Schippe Freundlichkeit drauflegen, weil Sachlichkeit allzu leicht unfreundlich rüberkommt.

Deshalb einfach mein Tipp zur Kundenbindung: Seien Sie sehr, sehr freundlich. Verleihen Sie E-Mails eine persönliche Note. Loben Sie, wenn es sich anbietet. Verschicken Sie mit jeder E-Mail eine Portion gute Laune. Die kommt an! Und macht süchtig. Und schon schreibt man Ihnen gerne 😊

Probeübersetzungen

Immer wieder werden sie von Übersetzerinnen verlangt, meist von Agenturen: Probeübersetzungen. In der Regel unbezahlt. Das nervt; immerhin würde auch niemand von einem Webdesigner verlangen, mal eben zur Probe eine Website zu erstellen. Referenzen und Zeugnisse sollten schließlich reichen!

Absolut richtig, deshalb erstelle ich selbst in der Regel auch keine kostenlosen Probeübersetzungen; es gibt jedoch Ausnahmen, und eine ist die Übersetzung von Büchern. Da sehe ich vollkommen ein, dass ein Verlag oder eine Autorin sich vor Auftragsvergabe ein Bild vom Stil der Übersetzerinnen machen oder auch mehrere Proben miteinander vergleichen möchte.

Ich selbst habe seit nunmehr fast zwei Jahren einen Buchübersetzungsservice aus dem Deutschen ins Englische unter www.ihr-buch-auf-englisch.de, und da der recht gut läuft und immer mal wieder Übersetzerinnen aus dem Team fallen, brauche ich immer mal wieder Nachschub. Inzwischen suche ich nur noch über ProZ nach neuen Kolleginnen; anfangs habe ich brav die Datenbank des ATA durchforstet und drei geeignete Kandidatinnen angeschrieben, aber nachdem ich nur von zweien überhaupt eine Antwort erhielt und mich von der dritten nach dem ersten Auftrag trennen musste, bin ich davon abgekommen. Über ProZ kommen zwar eine Menge völlig indiskutable Angebote rein, aber auch ein paar Perlen. Und die finde ich unter anderem durch die Probeübersetzung. Bei der es nicht allein um die Qualität der Übersetzung geht. Im Folgenden möchte ich darlegen, wie ich persönlich eine Auswahl treffe; die Kriterien können natürlich von anderen Agenturen abweichen, aber vielleicht hilft es dennoch der einen oder anderen Kollegin.

Im ersten Schritt werden alle Zuschriften ausgesiebt, die sich nicht wirklich auf meine Ausschreibung beziehen. Wenn ich auf Deutsch nach einer Literaturübersetzerin mit amerikanischem Englisch als Muttersprache suche, werden alle gelöscht, die:

  • auf Englisch antworten,
  • eine andere Sprache oder ein anderes Englisch als Muttersprache haben,
  • mir mit Trados Rates kommen (Trados ist toll, aber bei Romanübersetzungen eher nicht so hilfreich),
  • zweisprachig aufgewachsen sind und in beide Richtungen überset,
  • nur eine Standardantwort schicken, in der es mitnichten um Literaturübersetzungen geht.

Ebenfalls recht schnell ausgeschlossen werden Kandidatinnen, die

  • alle Fachgebiete übersetzen,
  • mehr als 3 Fremdsprachen übersetzen,
  • in die Fremdsprache übersetzen,
  • einen Output von über 4.000 Wörter pro Tag angeben,
  • Dumpingpreise bieten.

Alle anderen schreibe ich (auf Deutsch) an, erkläre mein Unternehmen genauer und bitte mir zu antworten, wer noch interessiert ist. Nach der Antwort fliegen die nächsten Kandidatinnen raus, nämlich jene, die:

  • länger als 24 Stunden für die Antwort gebraucht haben,
  • Rückfragen stellen, die in der Mail beantwortet wurden, einfach, weil mir das zeigt, dass entweder die Deutschkenntnisse nicht ausreichen oder der Inhalt eines Textes nicht erfasst werden kann – beides keine guten Voraussetzungen für eine Literaturübersetzerin.

Aber dann versende ich endlich den Probetext! Noch bevor ich die Übersetzung durchgelesen habe, scheiden die nächsten Anwärterinnen raus:

  • Deadline verpasst. Ich gebe ein konkretes Datum, bis zu dem ich den Probetext haben möchte. Und ich lebe in Deutschland. Wer also auf den letzten Drücker abgibt oder gar zu spät, auch wenn das Datum in den USA noch passt, ist raus. Den Stress, bei einem Buchprojekt zitternd auf den fertigen Text warten zu müssen, tue ich mir nicht an.
  • Zu viele Rückfragen. Rückfragen ist manchmal notwendig und erwünscht, aber drei Rückfragen bei einem Probetext von 300 Wörtern sind definitiv zu viel. Auf einen kompletten Roman hochgerechnet, wäre ich wochenlang allein mit Beantwortung der Rückfragen beschäftigt, und den Stress tue ich mir nicht an. Ein bisschen selbstständiges Arbeiten erwarte ich schon.
  • Kommentare im Text. Oder verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten, aus denen ich mir eine aussuchen kann. Logischerweise erwarte ich einen fertigen, selbstständig übersetzten Text und keinen Flickenteppich, den ich mir anschließend selbst zusammensetzen muss. Allein der Arbeitsaufwand! Nein, danke.
  • Formatierung verhauen. Wer auch nur die Schriftart oder den Zeilenabstand ändert oder gar den Probetext in Tabellenform neben dem Original abgibt (mit der Anmerkung, das auch mit einem kompletten Buch machen zu wollen), ist raus. Ich habe nicht die geringste Lust, bei einem 400-Seiten-Roman die Formatierung zu reparieren.

Und erst dann bewerte ich die Qualität der Übersetzung. Von allen Interessentinnen auf meine letzten ProZ-Ausschreibung hat es nur ein einziger bis hierhin geschafft. Glücklicherweise war seine Übersetzung dann auch die beste 😊 Sonst hätte ich von vorne anfangen müssen. Denn was nutzt mir der kreativste Übersetzer, wenn die Zusammenarbeit für mich Stress bedeutet?

Was ich damit sagen will: Das persönliche Auftreten ist ungemein wichtig. Überall im Leben und auch bei der Suche nach Übersetzungsaufträgen. Wir alle möchten möglichst wenig Stress haben, und das geht am besten mit freundlichen, selbstständigen, mitdenkenden, engagierten und zuverlässigen Personen im Umfeld. Und auch diese Kriterien werden durch die Probeübersetzung getestet; Referenzen und Zeugnisse helfen da leider nicht weiter.